Wie ihr wisst, bin ich gerade dabei, an einem neuen (alten) Buch zu schreiben und dieses zu Beenden. Ich möchte euch heute schon einmal einen kleinen Einblick in die Geschichte „Hexenkessel“ (Arbeitstitel) geben. Viel Spaß beim Lesen!

Dicht an dicht reihten sich die schwitzenden Leiber zahlloser Menschen auf dem winzigen Dorfplatz. Männer und Frauen stürmten gleichsam Richtung dessen Mitte. Jennifer wurde buchstäblich mitgerissen. »Was ist hier los?«, versuchte sie sich bei einer vorbeilaufenden Frau zu erkunden. Sie wurde ignoriert. Wobei, ignorieren stimmte nicht ganz: Die Fremde hatte durch Jennifer hindurchgesehen, als würde sie nicht existieren!
Sie eilte den Massen hinter, stolperte über ihre eigenen, nackten Füße, ruderte mit den Armen, verfing sich in dem Leinenkleid, das sie trug, und stürzte. Hart schlug sie auf dem gepflasterten Boden auf. »Verdammt!« Mühsam rappelte sie sich auf.
Die Menschen um sie herum blieben stehen und starrten sie mit hasserfüllten Blicken an. Der Zauber der Unsichtbarkeit schien von ihr gewichen zu sein.
»Hexe.« Ein kleiner Junge, Jennifer schätzte ihn auf höchstens sechs Jahre, zeigte mit schmutzverschmierten Fingern auf sie. »Hexe!«, wiederholte er.
Mehr Passanten scharrten sich um sie. Gehetzt schaute sich Jennifer um, doch der Kreis schloss sich um sie. Sie war gefangen.
»Sie ist eine Hexe!«, stimmte eine Frau ein, die sie nicht sehen konnte. Wer dies geschrien hatte, das war mit einem Mal unwichtig. Um sie herum begann jeder Einzelne auf sie zu zeigen und »Hexe!« zu rufen.
Jennifer drehte sich auf der Stelle im Kreise, suchte nach einem Ausweg, den es nicht gab. Dicht an dicht drängten sich die Leute, doch niemand kam näher als bis auf zwei Schritte an sie heran. »Was wollt ihr von mir?« Ihre Knie zitterten. Wo war sie gelandet? Wer waren diese Menschen?
»Sie ist eine Hexe und muss verbrannt werden!«, schrie eine Frau.
»Ich bin keine Hexe«,versuchte sie zu erklären, spürte aber sofort, dass ihre Worte auf taube Ohren stießen.
Jennifer stand auf, wischte sich mit blutverschmierten Händen Schmutz von den Knien und sah um sich. „Ich bin keine Hexe!“, versuchte sie sich zu verteidigen und begann, sich im Kreise zu drehen.
„Hexe! Hexe! Hexe!“, schwollen die Rufe an.
Fest presste sie die Handflächen gegen ihre Ohren. Jennifer sah sich nach einem Fluchtweg um, aber es gab kein Entkommen. Sie war nicht länger in ihrer Heimatstadt. Keines der Häuser erkannte sie wieder. Die engen Gassen schienen lediglich in die Finsternis zu führen. Selbst die Menschen kamen ihr seltsam vor. Oder einfach anders? Allesamt waren in graues Leinen gekleidet, niemand trug Schmuck oder gar Schuhe. Keine Autos – weit und breit nichts, was an die modernen Kleinigkeiten der Realität erinnerte. Dafür Kühe und Esel, die wie selbstverständlich durch die Massen schritten. Irgendwo gackerte aufgeregt ein Huhn.
„Das ist nicht möglich“, flüsterte sie und betrachtete das befremdliche Gewand, indem sie selbst steckte, und das denen der anderen Frauen verblüffend ähnelte.
„Karla? Du kannst herauskommen! Der Spaß ist vorbei!«, rief sie mit dünner Stimme. »Ich habe dich durchschaut!“ Gedankenverloren wischte sie eine blonde Strähne aus dem Gesicht. „Nun komm schon. Ich habe keine Lust auf dieses Mittelalterfest. Muss doch morgen früh wieder zeitig raus. Komm schon“, bettelte Jennifer. Aber die Freundin war nirgendwo zu entdecken.
Ein: „Die Hexe wird verbrannt! Leute, seht her!“, riss sie aus den Gedanken.
Wie in Trance wandte sie sich der Stimme zu und erkannte einen Scheiterhaufen, in dessen Mitte ein Pfahl steckte. Und an diesen war eine Frau gebunden!
Langsam ließ der Henker die Fackel niedersinken. Das trockene Holz fing sofort Feuer.
„Nein! Seid ihr verrückt?“ Jennifer rannte los. Kleine, spitze Steine bohrten sich in ihre Fußsohlen, doch sie ignorierte den Schmerz. Rauch begann ihr in die Nase zu steigen und lies sie husten. Nur wenige Schritte vor den Flammen stoppte sie. Nicht die Hitze war es, die sie zurückhielt, der verurteilten Frau zu helfen; Sondern der Anblick jener Person selbst.
Sie glich Jennifer aufs Haar!